Gôg - Was Tübingen ausmacht

GÔG APRIL 2022 12 GÔG – WAS TÜBINGEN AUSMACHT Ort des Lebens ❚HOSPIZ TÜBINGENWärme, Nähe und Zeit, sich zu begegnen, sind Alltag im Tübinger Hospiz. Das macht für die Gäste und ihre Angehörigen die Zeit, die sie hier verbringen, zu etwas sehr Wertvollem. Hier wird das Leben gelebt, so gut und so lange es möglich ist. // Text: Ghita Kramer-Höfer // Bilder: Erich Sommer m Tübinger Hospiz finden Menschen ein Zuhause für die letzte Zeit ihres Lebens. Für Tage, Wochen oder für Monate. Wer hierher kommt, hat die ärztliche Prognose, dass er vermutlich nicht mehr länger als ein halbes Jahr zu leben hat. Acht große, gemütlich eingerichtete Zimmer stehen für die Gäste bereit, alle mit Blick ins Grüne, Richtung Süden. Die Terrassentüren sind breit, man kann das Bett ins Freie schieben. Eine lichte Holzkonstruktion gewährt dort Schutz und Weite zugleich. Verschiedene Räume bieten Gästen und Besuchern des Hospizes die Möglichkeit, sich zu begegnen, sobald die Coronabeschränkungen nicht mehr notwendig sein werden: Das Wohnzimmer mit großem Tisch, Sofaecke, großen Pflanzen, Küche und Kaffeemaschine, dazu ein weiterer offener Raum mit Sitz-, Spiel- und Malmöglichkeiten. Ganz neu eingeweiht ist der kunstvoll gestaltete Rückzugsraum. Der großzügige, alles verbindende Flur mit Holzboden, die freundliche Farben und viel TaI geslicht strahlen aus, was die Menschen, die hier arbeiten, ihren Gästen entgegenbringen: Herzlichkeit und Wärme. „Es ist eine ganz wertvolle Arbeit, die wir hier leisten dürfen“, sagt Inge Finkel, Leiterin des Hospizes. „Wir können den Menschen, die zu uns kommen, viel abnehmen. Vielen unserer Gäste fällt bei Einzug eine Last ab. Sie wissen: Es ist mein letzter Ort. Hier kann ich in Ruhe gehen.“ Bewusst spricht sie von Gästen, nicht von Patienten oder Bewohnern. „Bei uns steht das Leben im Vordergrund. Das Sterben gehört dazu. Wir begleiten das letzte Stück Leben, so gut und so lange das möglich ist. Für uns ist der Mensch wichtig, wie er ist, nicht die Krankheit“, betont sie, „und es ist wunderbar, jedem anbieten zu können, hier noch einmal in Beziehung zu gehen.“ Viele Gäste nehmen das Angebot dankbar an, andere ziehen sich in der letzten Lebensphase zurück. „Das ist sehr unterschiedlich“, so die Erfahrung von Inge Finkel. „Es kommt auch darauf an, wann jemand zu uns kommt. Wir laden die Menschen dazu ein, so früh ins Hospiz zu kommen, dass sie bei uns auch ankommen können.“ Häufig fragen Kliniken oder Hausärzte an, ob ein Zimmer für einen ihrer Patienten frei ist, mitunter sind es die Patienten selbst. Einen Anspruch auf ein Zimmer im Hospiz gibt es freilich nicht: Die Warteliste ist lang. Seit der Eröffnung im Oktober vergangenen Jahres sind die acht Zimmer nahezu durchgehend belegt. Anfragen erhält Inge Finkel täglich, deutlich mehr, als Zimmer vorhanden sind. „Es ist nicht leicht, absagen zu müssen. Doch manchmal ergibt sich im Gespräch auch, dass das Hospiz gar nicht der beste Ort für einen Menschen ist und wir finden eine Alternative.“ Als Leiterin des Hospizes verbringt Inge Finkel viel Zeit am Telefon, mehr als ihr lieb ist. Vieles ist den noch neuen Strukturen geschuldet. „Ich freu‘ mich drauf, bald mehr Zeit für unsere Gäste zu haben. Das Gute ist aber, dass ich weiß, was für ein wunderbares Team ich habe.“ »Wir laden die Menschen dazu ein, so früh ins Hospiz zu kommen, dass sie bei uns auch ankommen können. Inge Finkel Leiterin Hospiz Tübingen »Für die Gäste ist es ein großes Geschenk, dass wir Zeit für sie haben, dass wir zuhören und einfach da sind. Inge Finkel Leiterin Hospiz Tübingen

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