Gôg - Was Tübingen ausmacht

GÔG APRIL 2022 20 GÔG – WAS TÜBINGEN AUSMACHT ernamburo oder Pernamburo ist ein Holz, das ausschließlich in Reciefe wächst. Daraus, selbstverständlich ist es zertifiziert, entsteht die Bogenstange. Sie wird von Hand ausgesägt. Aus dem pfeilgeraden Vierkantholz wird zuerst eines mit sechs, dann mit acht Kanten. So könnte man es bereits lassen, doch Michele Facchino bevorzugt rundgeschliffene Bogenstangen. Über einer Spiritusflamme biegt er den Bogen in die passende Form. Im nächsten Schritt fertigt er den so genannten „Frosch“, das Stück, das sowohl Griff ist, als auch die Bespannung hält, aus Ebenholz. Dafür hat Michele Facchino verschiedene Holzstücke vorrätig, an denen sogar noch die Rinde hängt. Nur der innerste Kern des Stammes ist schwarz – ebenholzschwarz. Auch die Spitze des Bogens bedarf großer Zuwendung. Michele Facchino fertigt die hauchdünnen Einzelteile zumeist aus Bein. „Früher verwendete man Elfenbein“, kommentiert er. Für besondere Bögen holt er einen Schatz hervor, der ungläubig staunen lässt: ein großes, schweres Stück MammutStoßzahn. Wie bitte? „Der Permafrost-Boden taut mit der Klimaerwärmung immer weiter auf. Dabei komF men auch die Mammuts zum Vorschein, die vor gut 9000 Jahren gestorben sind.“ Das Stück ist legal erworben, das nur als Randbemerkung. Silber ist ein weiteres Material, das beim Bogenbau zum Einsatz kommt, dazu Silberdraht. Zum Schluss werden die Haare aufgespannt. Die bezieht Michele Facchino hauptsächlich aus Sibirien und der Mongolei. „Die Pferde leben dort dauerhaft in einem rauen Klima, das ist wichtig für die Struktur der Schweifhaare.“ Michele Facchino bestellt sie büschelweise und sortiert sie einzeln. „Von zehn Kilo Haaren bleiben etwa drei Kilo übrig“, erläutert er. Und er sagt auch, dass es immer schwieriger wird, gute Haare zu bekommen. „Wegen des Klimawandels.“ Das Wetter ist schon heute sowohl in der Mongolei als auch in Sibirien deutlich wechselhafter, das wirkt sich auf die Qualität der Pferdeschweife aus. Für einen Bogen, den Michele Facchino von Hand gefertigt hat, bezahlt man zwischen 2000 und 3000 Euro. Das ist nicht viel für den Aufwand. „Leben und leben lassen“, kommentiert er. Was wünscht er sich? „Dass es endlich wieder richtig los geht. Dass wieder mehr Kunden vorbei kommen, dass endlich wieder mehr Leben ist!“ // gik Von Fröschen, Mammutzähnen und Pferdeschwänzen ❚BOGENBAUViele Einzelschritte sind nötig, bis ein Bogen endlich zeigen kann, was in ihm steckt. Weit hinten, hinter den Wortbergen, fern der Länder Vokalien und Konsonantien leben die Blindtexte. Abgeschieden wohnen sie in Buchstabhausen an der Küste des Semantik, eines großen Sprachozeans. »Von zehn Kilo Haaren bleiben etwa drei Kilo übrig. Michele Facchino Bogenbauer Die Pferdeschweif-Haare für die Bespannung werden einzeln sortiert. Aus einem Stück Holz und vielen weiteren Elementen entsteht peu à peu in zahlreichen Arbeitsschritten der Bogen (oben). Michele Facchinos Sammlung an Beizen und Lacken ist beeindruckend. // Bilder: Erich Sommer

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